Morde an Christen sind keine Einzelfälle: Wer nicht Muslim ist, gilt als suspekt
Von Susanne Güsten
"Nach dem Blutbad von Malatya soll bloß keiner behaupten, dass es verrückte Einzelgänger waren, die den drei Christen kaltblütig die Kehlen durchschnitten. Diese Schutzbehauptung hat sich abgenutzt in den vergangenen 15 Monaten, seit der katholische Priester Andrea Santoro im nordtürkischen Trabzon und der armenische Journalist Hrant Dink mitten in Istanbul von Männern ermordet wurden, die man anschließend als fehlgeleitete Randfiguren darstellte.
Im Mordfall Dink haben die Ermittlungen gezeigt, dass sowohl Polizeispitzel als auch ultranationalistische Politiker in die Tat verwickelt waren und dass die Istanbuler Polizei über das Attentat vorab informiert war. Vom Fall in Trabzon wissen wir, dass dort über Mordpläne an Christen offen in den Teehäusern diskutiert wurde.
Die traurige Wahrheit ist, dass die türkische Nation eine Lüge lebt: Fast 85 Jahre nach Gründung der Türkischen Republik als laizistischem Staat, in dem auch die christlichen und jüdischen Minderheiten zu Hause sein sollen, steht dieses Verfassungsbürgertum nach wie vor nur auf dem Papier. Die Überzeugung, dass nur ein muslimischer Türke auch ein echter Türke sein könne, prägt noch immer die nationale Identität – und das nicht nur am religiösen oder nationalistischen Rand des politischen Spektrums.
So gerne die Türkei sich nach außen als tolerantes Land am Kreuzweg der Kulturen präsentiert: Die auf kaum 0,5 Prozent zusammengeschrumpften nichtmuslimischen Minderheiten – die Armenier, die Griechen, die Suryani und andere Christen wie auch die Juden – bekommen in ihrem Alltag ständig zu spüren, dass das eine Lüge ist. Manchmal werden sie getötet. Einzelfälle sind das nicht."
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Der gestern zusammen mit zwei türkischen Christen von Angreifern in einem Bibelverlag in Malatya getötet getötete Deutsche Tilman G., ist nach Informationen eines türkischen Fernsehsenders mit
156 Messerstichen traktiert worden. Bisher hatten die Behörden erklärt, die Mörder hätten ihren Opfern die
Kehlen durchgeschnitten.